Die Corona-Arbeitsschutzverordnung wird bis einschließlich 10. September 2021 verlängert. Arbeitgeber sind damit weiterhin dazu verpflichtet, zweimal pro Kalenderwoche kostenfrei einen Test in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten. Doch welche Befugnisse haben Arbeitgeber in diesem Zusammenhang? Dürfen sie die Durchführung der Tests anweisen?
Damit der Arbeitgeber die Anweisung zur Durchführung eines Tests wirksam erteilen kann, bedarf es einer entsprechenden rechtlichen Grundlage. Doch ist diese immer gegeben?
1. Auf der Bundesebene gilt die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung, welche regelt, dass die Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, den Arbeitnehmern 2 x pro Woche einen Corona-Test anzubieten. Ein Recht des Arbeitgebers, Tests einseitig anzuordnen, ist demgegenüber nicht enthalten.
Gem. einer Mitteilung des Bundesministeriums wir Wirtschaft und Soziales gilt die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung ab dem 01.07.2021 in angepasster Form bis zum 10.09.2021 fort (https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/sars-cov-2-arbeitsschutzverordnung.html). Ein Recht des Arbeitgebers, Tests einseitig anzuordnen, ist weiterhin nicht enthalten.
2. Auf Landesebene ist in Hessen eine Corona-Test-Pflicht beispielsweise für bestimmte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mittels der Hessischen Corona-Einrichtungsschutzverordnung eingeführt worden, welche bis zum 24.06.2021 galt. Diese Verordnung (vgl. https://www.hessen.de/sites/default/files/media/01_corona-einrichtungsschutzverordnung_stand_29.05.21_barrierefrei.pdf) begründete eine Testpflicht für Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen (§ 1 b Absatz 2), für ambulante Pflegedienste (§ 1 c), für Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen (§ 3 Abs. 4c) usw.
Soweit in der Verordnung also für bestimmte Bereiche eine Testpflicht geregelt war, bestand für die Anweisung zur Durchführung des Tests eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Arbeitgeber.
Seit dem 25.06.2021 gilt in Hessen die Coronavirus-Schutzverordnung – CoSchuV (vgl. https://www.hessen.de/sites/default/files/media/01_coschuv_stand_25.06.2021_1.pdf). Sie löst die Corona-Einrichtungsschutzverordnung sowie die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung ab.
Auch sie sieht eine Testpflicht weiterhin für bestimmte Bereiche, wie bspw.
- Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen, ambulante Pflegedienste, Tages-und Nachtpflegeeinrichtungen
- Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen
3. Doch was gilt, wenn weder auf Bundes- noch auf Landesebene eine entsprechende Regelung besteht, die eine Testpflicht für die Branche, in der der Arbeitgeber tätig ist, vorsieht? Kann ein Arbeitgeber in diesen Fällen dennoch einseitig die Durchführung eines Tests wirksam anordnen? Fraglich ist damit, wie weit das Direktionsrecht des Arbeitgebers reicht.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers richtet sich grundsätzlich nach § 106 GewO. Die Arbeitsanweisungen haben hiernach nach billigem Ermessen zu erfolgen. Dies bedeutet, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Ob diese Vorgaben eingehalten sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.
Die Frage nach dem Umfang des Direktionsrechts ist bislang nicht abschließend gerichtlich geklärt. Es wird hierzu eine Vielzahl an Meinungen vertreten. Welche sich durchsetzt, bleibt abzuwarten.
a) Das Arbeitsgericht Offenbach (Urteil vom 03.02.2021 – 4 Ga 1/21) geht im Rahmen eines Eilverfahrens davon aus, dass die Anordnung, vor Zutritt zum Werksgelände einen negativen Corona-Test vorzulegen, zumindest nicht offenkundig rechtswidrig sei. Die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Nachgang zu der Anweisung zudem noch abgeschlossene Betriebsvereinbarung sah ebenfalls vor, dass der Arbeitgeber verlangen kann, dass sich in bestimmten Verdachtssituationen alle oder einzelnen Mitarbeiter vor Arbeitsbeginn einem Corona-Schnelltest unterziehen. Auch dies sei nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Die Berufung ist bereits beim Hessischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 15 SaGa 160/21 eingelegt.
b) Andererseits wird die Meinung vertreten, dass eine einseitige Anweisung des Arbeitgebers zur Testung stets nur im Ausnahmefall wirksam möglich sei.
Anlasslos dürften Arbeitgeber daher nicht wirksam allen Arbeitnehmern die Pflicht zur Testung auferlegen. Es bedürfe jeweils einer Entscheidung im Einzelfall. Automatisch obsiegten die Interessen des Arbeitgebers damit nicht. Denn auch die arbeitnehmerseitigen Interessen (Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht) seien ein hohes Schutzgut.
c) Anders kann sich die Rechtslage unstreitig darstellen, wenn konkrete Indizien für eine etwaige Erkrankung des Arbeitnehmers vorliegen. Ein solcher Fall ist aus unserer Sicht bspw. bei der Rückreinreise aus einem Virusvariantengebiet gegeben.
Sofern die Testung nicht pauschaliert, sondern auf Basis eines konkreten Konzepts bspw. für das Servicepersonal im Gastronomiebereich etc. vom Arbeitgeber angeordnet wird, bestehen aus unserer Sicht durchaus vertretbare Argumente dafür, von einem einseitigen Direktionsrecht auszugehen.
4. Verweigert der Arbeitnehmer den Test, stellt sich regelmäßig sodann die Frage, ob arbeitgeberseitig das Recht besteht, den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Dies gelingt jedoch nur wirksam, wenn ein das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers vorliegt. Der Arbeitgeber hat gemäß 618 Abs. 1 BGB sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese Schutzpflicht kann ein solches überwiegendes Interesse darstellen. Ob dieses Interesse aber auch ohne Anhaltspunkte für eine Infektion des Arbeitnehmers überwiegt, ist fraglich.
Wird der Arbeitnehmer also anlasslos von der Arbeit freigestellt, besteht ein erhebliches Risiko, dass der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät, mithin das Gehalt zahlen muss, ohne Arbeitsleistung im Gegenzug zu erhalten. Zudem könnte der Arbeitnehmer auf Beschäftigung klagen. All dies ist (bislang) gerichtlich noch nicht abschließend geklärt.
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Lars Stich, Rechtsanwalt