Neues zur Schriftformpflicht bei langlaufenden Mietverträgen

§ 550 BGB regelt, dass Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen werden, für unbestimmte Zeit gelten. Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil hierzu eine wichtige Klarstellung gebracht.  

  1. Zunächst zum besseren Verständnis: Was besagt die Norm eigentlich?Sie besagt übersetzt, dass Mietverträge, die für eine längere Zeit als ein Jahr laufen sollen werden, schriftlich geschlossen werden müssen. Geschieht dies nicht, ist der Vertrag zwar nicht unwirksam, aber er gilt als unbestimmte Zeit geschlossen. Eine etwaig vereinbarte feste Laufzeit des Vertrages (z.B. 10 Jahre) wird gegenstandslos.Das hat gravierende Folgen: Denn der Vertrag kann dann im Grundsatz von beiden Seiten vorzeitig gekündigt werden.Schriftformverstöße sind also mit anderen Worten ein probates Mittel, sich aus unliebsam gewordenen langlaufenden Mietverträgen vorzeitig zu lösen. Die Planungssicherheit, die die andere Seite erreichen wollte, ist verloren.
  2. Die Antwort auf die Frage, wann ein Schriftformmangel vorliegt, ist in kurzen Worten nicht zu geben.Der Vertrag muss jedenfalls im Original von beiden Seiten unterschrieben sein. Der Text sollte vollständig sein, mündliche Nebenabsprachen sind zu vermeiden. Alle Blätter sollten sicherheitshalber geheftet, alle Anlagen eigenständig unterschrieben und fest verbunden sein. Tritt auf einer Seite ein Vertreter auf, ist besondere Vorsicht geboten.
  3. Findige Anwälte sind auf die Idee gekommen, in den Verträgen vorzusehen, dass beide Seiten beitragen müssen, Formfehler nachträglich zu beseitigen. Der Bundesgerichtshof verwirft solche Regelungen, in der Praxis schützen sie nicht.
  4. § 550 BGB dient vorrangig dem Schutz des Erwerbers eines Grundstücks, der wissen muss, welchen Inhalt der von ihm zu übernehmende Mietvertrag hat. Folgerichtig müssen auch alle Nachträge schriftlich abgefasst werden. Auch hier können schnell Fehler passieren.
  5. Nicht abschließend geklärt war bislang die Frage, ob das Formgebot für Nachträge auch dann gilt, wenn die durch den Nachtrag bewirkte Änderung für weniger als ein Jahr Geltung beansprucht. Der Bundesgerichtshof hat das in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 15. September 2021 – XII ZR 60/20) verneint.

Nur mündlich getroffene Anschlussvereinbarungen berechtigen also keine der beiden Vertragsparteien zu einer vorzeitigen Kündigung, wenn die Laufzeit der Änderungsvereinbarung ein Jahr nicht überschreitet.

Das ist des einen Freud, des anderen Leid, je nachdem, wen man vertritt.

Walther Grundstein
Rechtsanwalt