LAG München: Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers bei Missachtung von Corona-Arbeitsschutzregeln

Der Fall: Der Geschäftsführer des verklagten Arbeitgebers kehrte am 10.8.20 aus seinem Urlaub in Italien zurück. Er wies Erkältungssymptome auf, die ihn nicht davon abhielten, mit der klagenden Arbeitnehmerin am 18.8.20 und 20.8.20 in einem Auto mehrere Dienstfahrten zu unternehmen. Beide trugen keinen Mund-Nasen-Schutz. Am 24.8.20 wurde der Geschäftsführer positiv auf Corona getestet. Am 25.8.20 ordnete das Gesundheitsamt gegenüber der Klägerin als Kontaktperson eine Quarantäne bis 3.9.20 an.

Deswegen platzte ihre für den 29.8. geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier mit 99 geladenen Gästen. Insgesamt sind der Klägerin rund 5.000 EUR Stornierungskosten entstanden, die sie vom Arbeitgeber ersetzt verlangte. Der Arbeitgeber verteidigte sich im Kern damit, der Geschäftsführer sei zum Zeitpunkt der Autofahrten noch nicht an Corona erkrankt gewesen und habe damit auch nicht rechnen müssen; wegen verschiedener Vorerkrankungen sei davon auszugehen, dass sie der Auslöser für die Erkältungssymptome gewesen seien. Im Übrigen treffe die Arbeitnehmerin ein Mitverschulden, weil sie sich nicht hinreichend gegen eine mögliche Stornierung abgesichert habe und nicht gezwungen gewesen sei, mit dem Geschäftsführer im selben Auto und dann auch noch ohne Mund-Nase-Schutz zu fahren.

Die Entscheidung erster Instanz: Das Arbeitsgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Dem Geschäftsführer sei eine erhebliche Pflichtverletzung vorzuwerfen gewesen. Eine Obliegenheit der Klägerin, sich für den Fall einer Stornierung zu versichern, habe nicht bestanden; die Fahrt im selben Auto sei angeordnet gewesen.

Der Arbeitgeber nahm das Urteil nicht hin und legte Berufung ein.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 14. Februar 2022 – 4 Sa 457/21): Das LAG München hat die Entscheidung erster Instanz bestätigt.

Der Arbeitgeber, dem das Verhalten des Geschäftsführers zuzurechnen sei, habe die gegenüber der Arbeitnehmerin obliegende Fürsorgepflicht verletzt. Er habe gegen die damals geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel verstoßen, die Sicherheitsabstände von 1,5m gefordert und vorgesehen habe, dass Personen mit Krankheitssymptomen zu Hause bleiben sollten. Diese Pflichtverletzung sei auch für den eingetretenen Schaden ursächlich, weil ohne sie keine Quarantäneanordnung ergangen wäre und die Hochzeit hätte stattfinden können. Das Bestreiten, an Corona erkrankt gewesen zu sein, sei unerheblich, weil der Geschäftsführer selbst Erkältungssymptome eingeräumt habe, die deutlich für eine Coronainfektion sprächen. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten, weil man ihr nicht habe abverlangen dürfen, sich gegen den Willen des Geschäftsführers durchzusetzen und auf der Nutzung eines eigenen Fahrzeugs zu bestehen.

Bitte beachten Sie:

  1. Die Hochzeit entfiel, weil die Arbeitnehmerin als Kontaktperson in Quarantäne musste. Sie hatte sich offenbar selbst nicht mit dem Coronavirus infiziert. Mit der Frage, ob und inwieweit ein Arbeitgeber für eine Coronainfektion haftet, die ein Arbeitnehmer sich nach seiner Behauptung im Betrieb zugezogen hat, musste sich das Gericht nicht auseinandersetzen.
  2. Das zeigt aber zugleich, dass die Verletzung von Arbeitsschutzregeln nicht nur zu Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung der körperlichen Integrität führen kann, vor denen der Arbeitgeber oft geschützt sein wird, weil die Berufsgenossenschaften ihm das Haftungsrisiko für Arbeitsunfälle abnehmen. Ansprüche wie hier geltend gemachten sind aber vom Arbeitgeber selbst zu erfüllen. Die Berufsgenossenschaften helfen hier nicht. Umso mehr sind Arbeitgeber gehalten, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten.

Walther Grundstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht