Manche Arbeitgeber überlegen, ihre Mitarbeiter zur Impfung gegen den Coronavirus zu verpflichten.
Wäre eine solche Weisung rechtmäßig, durchsetzbar und sanktionierbar?
- Eine gesetzliche Impfpflicht gibt es nicht und soll nach dem erklärten Willen der Politik auch nicht eingeführt werden. Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen enthalten aktuell keine entsprechende Verpflichtung. Ausdrückliche Regelungen in Arbeitsverträgen sind bislang jedenfalls nicht bekannt geworden, mögen aber noch kommen.
- Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kommt als taugliche Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. §106 GewO räumt dem Arbeitgeber nur das Recht ein, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Sich impfen zu lassen, gehört aber nicht zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.
- Beiden Vertragsparteien obliegt der anderen Seite gegenüber aber auch eine Treuepflicht. Aus dieser Treuepflicht hat das Bundesarbeitsgericht tatsächlich auch schon die Pflicht eines Arbeitnehmers abgeleitet, sich in bestimmten Konstellationen ärztlich untersuchen zu lassen.Nun ist es aber etwas anderes, sich einer Untersuchung zu unterziehen, bei der vielleicht noch Körperflüssigkeiten entnommen werden (Blutentnahme), als sich einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die körperliche Unversehrtheit auszusetzen, bei dem ein Impfstoff injiziert wird, der auch erhebliche Nebenwirkungen haben kann.Ob man sich impfen lässt, ist daher eine höchstpersönliche Entscheidung, die vom Arbeitgeber – jedenfalls im Regelfall – auch unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht nicht angeordnet werden kann.
- In Ausnahmesituationen könnte etwas anderes gelten. Dann nämlich z.B., wenn es um Arbeitnehmer geht, die in der Impfreihenfolge weit oben stehen und beruflich bedingt mit Personen in Kontakt kommen, bei denen ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf besteht, ohne selbst einen Anspruch auf bevorzugte Impfung zu haben.Dann stellt sich freilich die Frage der Durchsetzbarkeit: Spätestens die Vollstreckung wird den Arbeitgeber vor ausgesprochen hohe Hürden stellen. Im Zweifel wird er nur über arbeitsvertragliche Sanktionsmittel weiterkommen. Im Regelfall aber kann aus den genannten Gründen die Weigerung des Arbeitnehmers, sich impfen zu lassen, keine Abmahnung oder gar (verhaltensbedingte) Kündigung Auch eine personenbedingte Kündigung wird nur selten in Betracht kommen, weil das Fehlen der Impfung regelmäßig nicht dazu führt, dass die Eignung entfällt, seiner Tätigkeit nachzugehen. Ob ein Arbeitgeber berechtigt ist, kraft Organisationsentscheidung das Vorhandensein einer Impfung als Teil der Stellenanforderung zu definieren, so dass nicht geimpfte Personen betriebsbedingt gekündigt werden könnten, ist offen. Jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung werden solche unternehmerische Entscheidungen aber nur einer Missbrauchskontrolle unterworfen.
Lässt sich die Impflicht mittelbar durchsetzen?
- Nicht helfen wird eine Anordnung des Arbeitgebers im Wege seines Hausrechtes, nur geimpften Personen den Zugang zum Betrieb zu gewähren. Das wäre ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Denkbar ist es allerdings, den Zugang zu bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Kantine, Fitnessraum) vom Vorhandensein einer Impfung abhängig zu machen.
- Unzulässig ist es folgerichtig auch, Arbeitnehmern anzudrohen, die Entgeltfortzahlung für den Fall zu verweigern, dass sie sich nicht impfen lassen und deswegen an Corona erkranken. Hier gilt nichts anderes als bei anderen sinnvollen Impfungen auch (Tetanus, Grippe etc). Allerdings ist denkbar, dass Mitarbeiter ihren Entschädigungsanspruch gem. §56 I IfSG verlieren, wenn sie die öffentlich empfohlene Schutzimpfung nicht wahrnehmen.
- Finanzielle Anreize für die, die sich impfen lassen, sind für sich genommen ohne Zweifel zulässig – aber die große Frage ist, ob sie denen vorenthalten werden dürfen, die sich dennoch nicht impfen lassen. Die Rechtslage ist zu dieser Frage völlig ungeklärt. Während zum einen vertreten wird, eine solche Honorierung einer rechtlich nicht durchsetzbaren Belastung des Arbeitnehmers begründe keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sehen andere darin einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot. Wer von seinem Recht Gebrauch mache, die Impfung zu verweigern, dürfe dadurch nicht benachteiligt werden.Wer daher auf diesem Wege die Impfbereitschaft fördern will, muss ins Risiko gehen – und natürlich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beachten, so es denn einen gibt.
Wenn man also jedenfalls im Regelfall weder unmittelbar noch mittelbar eine Impflicht durchsetzen kann, kann man als Arbeitgeber dann wenigstens den Mitarbeiter fragen, ob er sich freiwillig hat impfen lassen oder nicht?
Auch das ist sehr umstritten. Die einen meinen, es gehe hier um hochsensible Gesundheitsdaten, die zu kennen der Arbeitgeber nicht berechtigt sei. Andere betonen die Interessen des Arbeitgebers (Fürsorgepflicht gegenüber Kollegen und Kunden, Organisation betrieblicher Abläufe) und halten diese für überwiegend. Wer Datenschutzverstöße vermeiden will, muss sich angesichts dessen derzeit mit Fragen zurückhalten.
Wenn ein Arbeitnehmer sich freiwillig impfen lässt und der Impftermin in die Arbeitszeit fällt, ist der Arbeitgeber dann zur Entgeltfortzahlung verpflichtet?
Das kommt darauf an. Das Gesetz sieht eine entsprechende Pflicht tatsächlich vor (§616 BGB). Die Norm kann im Arbeitsvertrag aber abbedungen werden. Andererseits könnten sich entsprechende Entgeltfortzahlungsansprüche auch aus einschlägigen Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben.
Walther Grundstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht