Homeoffice – neue Pflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Mit Inkrafttreten der „Bundesnotbremse“ wurden die bisher in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) enthaltenen Regeln zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmern eine Tätigkeit im Homeoffice angeboten werden muss, in das Infektionsschutzgesetz verlagert und verschärft. Im Folgenden ein Überblick über das, was nun seit 23. April 2021 gilt.  

  1. Die genaue Formulierung des Gesetzes (§ 28b Absatz 7 IfSG) lautet, soweit hier von Interesse:

„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“

  1. Die Regelung richtet sich an den Arbeitgeber auf der einen Seite, an „Beschäftigte“ auf der anderen Seite. Ob der Gesetzgeber hier nur genderfreundlich sein wollte oder tatsächlich nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ansprechen wollte, sondern z.B. auch freie Mitarbeiter, wird nicht klar. Sinn und Zweck sprechen für eine weite Auslegung, die Systematik dagegen.
  1. Den Beschäftigten ist Homeoffice „anzubieten“. Arbeitnehmer haben also keinen originären Anspruch, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen schlicht im Homeoffice tätig zu werden. Sie haben nur einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen ein Angebot unterbreitet, das zu tun. Das macht in der rechtlichen Durchsetzung einen großen Unterschied (siehe unten Ziff. 10).

Welche Inhalte konkret das Angebot enthalten muss, verschweigt der Gesetzgeber. Da es sich um ein Angebot handelt, das der Arbeitnehmer annehmen soll, bezweckt der Arbeitgeber eine Vereinbarung, die den bestehenden Arbeitsvertrag ändert. Durch eine solche Vereinbarung erwirbt der Beschäftigte dann einen vertraglichen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Deswegen kann sich das Angebot hierauf nicht beschränken. Es muss klar werden, ab wann und für wie lange die Vereinbarung gilt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie vorfristig beendet werden kann, ob und gegebenenfalls welche Arbeitsmittel der Arbeitgeber zur Verfügung stellt usw.

  1. Anzubieten ist, jedenfalls das ist klar, nur eine „Tätigkeit in der Wohnung der Beschäftigten“. Nicht anzubieten ist also die Möglichkeit mobilen Arbeitens.

Auf der anderen Seite kommt es für die Notwendigkeit des Angebotes nicht darauf an, ob die Wohnung ihrerseits den Arbeitsschutzvorgaben genügt. Der Arbeitgeber wird also gegebenenfalls genötigt, gegen klare Arbeitsschutzvorgaben zu verstoßen. Das löst allerlei Folgefragen aus, insb. auch zur Haftung.

  1. Ein Angebot muss nur unterbreitet werden, wenn der Beschäftigte eine „Büroarbeit oder eine vergleichbare Tätigkeit“ verrichtet.

Was das ist, lässt das Gesetz offen. In den FAQs des BMAS zur früheren insoweit gleichlautenden Arbeitsschutzverordnung heißt es: „Vergleichbare Tätigkeiten sind in der Regel solche, die unter Verwendung von Informationstechnologien von zu Hause aus erledigt werden können.“

  1. Das Angebot ist entbehrlich, wenn „zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen.“ Auch damit wird die Formulierung aus der Corona-ArbSchV aufgegriffen. In den Gesetzesmaterialien zu §28b IfSG wird ausgeführt, „betriebsbedingte Gründe können vorliegen, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten.“

Zusätzlich werden Negativbeispiele genannt: „Technische oder organisatorische Gründe, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderungen der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können in der Regel nur vorübergehend angeführt werden.“

Das zeigt, dass der Gesetzgeber die Hürden sehr hoch ansetzen will. Allerdings muss man auch sehen, dass §28b IfSG nur befristet gilt (siehe unten Ziff. 14). Das wird bei der Abwägung, ob ein Angebot unterbreitet werden muss, berücksichtigt werden können.

  1. Die Beschäftigten müssen das Angebot annehmen. Das Gesetz lässt ihnen im Grundsatz keine Wahl. Wie der Arbeitgeber die Annahme des Angebotes durchsetzen soll, löst das Gesetz nicht. Es werden wenn überhaupt nur arbeitsrechtliche Sanktionsmittel bleiben (Abmahnung, Kündigung).
  1. In der Praxis wird sich dieses Problem aber nicht stellen. Denn die Pflicht zur Annahme des Angebots kennt eine wichtige Ausnahme: Die Beschäftigten können es ablehnen, „soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“.

Eine hohe Hürde ist das nicht. Es werden gerade keine „zwingenden Gründe“ gefordert. In den Gesetzesmaterialien finden sich dementsprechend nur niederschwellige Beispiele: „räumliche Enge, Störungen durch Dritte, unzureichende technische Ausstattung“.

Wer nicht ins Homeoffice will, findet daher schnell eine passende Antwort auf das Angebot des Arbeitgebers. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Beschäftigte die Gründe nicht einmal mitteilen, sie müssen nur vorhanden sein. Nach Sinn und Zweck wird man aber eine Offenlegung fordern können. Auch die Gesetzesmaterialien sehen das so.

Ein Kontrollrecht des Arbeitgebers oder gar eine Kontrollpflicht kennt das Gesetz nicht.

  1. Hat ein Beschäftigter ein Angebot abgelehnt, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber zur Wiederholung des Angebotes verpflichtet ist, wenn der Beschäftigte seine Meinung ändert und dies kundtut. Davon wird auszugehen sein, weil der Anspruch auf Abgabe eines Angebotes latent weiterbesteht. Dass umgekehrt der Arbeitgeber ein bereits angenommenes Angebot zurücknehmen kann, wenn sich die betrieblichen Gründe ändern, wird hingegen nicht angenommen werden können; denn die Annahme des Angebots hat zur Vertragsänderung geführt. Hier wird der Arbeitgeber Vorsorge schon in der Ausgestaltung des Angebotes selbst zu treffen haben.
  1. Schwierig wird für Arbeitnehmer die Durchsetzbarkeit ihres Anspruchs auf Abgabe eines Angebotes.

Ein gerichtliches Eilverfahren auf Abgabe eines Angebotes wird nicht zulässig sein, weil es die Hauptsache vorwegnimmt. Das Hauptsacheverfahren wird nicht rechtskräftig vor Auslaufen der Gültigkeit des Gesetzes (siehe Ziff. 14) abgeschlossen sein.

Es bleibt dem Arbeitnehmer im Zweifel nur, ins Risiko zu gehen, indem er der Tätigkeit vor Ort fernbleibt und ein Zurückbehaltungsrecht ausübt. Alternativ kann er den Arbeitgeber abmahnen und, wenn das Angebot trotz Abmahnung ausbleibt, kündigen und Schadensersatz geltend machen.

Gelingt es dem Arbeitgeber dann allerdings im Prozess, zu belegen, dass ein Angebot entbehrlich war, hat der Arbeitnehmer sich selbst um seine Ansprüche gebracht. Es droht ihm außerdem das weitere Risiko, dass er gegebenenfalls selbst wegen Arbeitsverweigerung abgemahnt und gekündigt wird.

  1. Bußgeldbewehrt ist der Verstoß, rechtswidrig ein Angebot nicht abzugeben oder es nicht anzunehmen, nicht. Möglicherweise beruht das auf dem Umstand, dass die Regelung in letzter Minute ins Gesetz eingeschleust worden ist. 

Ein Risiko für den Arbeitgeber darf aber nicht übersehen werden: Wenn sich der Beschäftigte mit Corona infiziert, könnte das Unterlassen eines Angebotes ein Indiz dafür sein, dass der Beschäftigte sich im Betrieb angesteckt hat. Dann könnte der Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften für die Folgen der Erkrankung auf Schadenersatz haften.

  1. Dokumentationspflichten werden durch die Vorschrift jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht begründet. Ob die Arbeitsschutzbehörden das auch so sehen, steht auf einem anderen Blatt. Arbeitgeber sind nach unserem Dafürhalten gut beraten, wenn sie dokumentieren, ob oder warum nicht sie welchem Beschäftigten ein Angebot unterbreitet haben und warum es abgelehnt worden ist. Denn eines ist klar: Auf Anforderung werden zumindest gegenüber den zuständigen Behörden die Gründe bei einer Kontrolle benannt werden müssen, warum Angebote unterblieben sind.
  1. Betriebsverfassungsrechtlich hält das Gesetz keine Klarstellungen parat. Es muss also jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob in einer Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice und einer späteren Zurückverlagerung eine Versetzung im Sinne von §99 BetrVG liegt, die der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und vor deren Vorliegen nicht umgesetzt werden darf. Ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, zur Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem IfSG ein Zustimmungsersetzungsverfahren und gegebenenfalls auch ein Eilverfahren (§100 BetrVG) durchzuführen, wird uns die Rechtsprechung beantworten müssen.
  1. Die Gültigkeitsdauer der gesetzlichen Regelung ist zeitlich befristet. Gem. §28b Absatz 10 IfSG gilt sie nur für die „Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite … durch den Deutschen Bundestag, längstens bis zum Ablauf des 30. Juni 2021“. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung wird jedoch eine Verlängerung ernst­haft einzukalkulieren sein.

Walther Grundstein
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht