Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus

Zur Erstellung geeigneter Hygienekonzepte bzgl. der aktuellen COVID-19 Pandemie ist es für Arbeitgeber erforderlich zu wissen, welche Arbeitnehmer geimpft bzw. genesen sind. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung stellt bereits klar, dass Arbeitgeber die Informationen über den Impfstatus von Arbeitnehmern verwenden können, wenn sie sie haben. Die Arbeitsschutzverordnung stellt aber nur klar, dass ein vorhandenes Wissen auch eingesetzt werden kann. Doch dürfen Arbeitgeber den Impfstatus beim Arbeitnehmer auch aktiv erfragen?

Das IfSG soll hinsichtlich des Fragerechts des Arbeitgebers eine Änderung erfahren. Der Deutsche Bundestag hat das Maßnahmenpaket am 7. September 2021 bereits verabschiedet. Einer Mitteilung des Bundesrats ist zu entnehmen, dass dieser in einer Sondersitzung am  10. September 2021 abschließend über die Änderungen des IfSG abstimmt. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Dies wird prognostisch in der kommenden Woche der Fall sein.

Die Antwort auf die einleitende Frage lautet abgekürzt: Ja, aber diese Frage dürfen nicht alle Arbeitgeber stellen und auch nicht zu jeder Zeit.

Im Einzelnen:

1. Geplante Änderung des IfSG

Die geplante Änderung des IfSG im Wortlaut:

„Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-
Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist, darf der Arbeitgeber in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen und Unternehmen personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impf- und Serostatus in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts.“

 (abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/320/1932039.pdf

2. Welche Arbeitgeber dürfen nach dem COVID-19 Impfstatus fragen?

a) Schon jetzt sieht § 23a IfSG das Recht zur Frage nach dem Impf- und Serostatus für einen kleinen Kreis von Arbeitgebern vor. Das Fragerecht soll aber nur bestehen, soweit es um übertragbare Krankheiten geht und die Information erforderlich ist, um Maßnahmen zur Verhütung von nosokomialen Infektionen treffen zu können sowie die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen zu vermeiden.  Das Fragerecht gilt in diesen Fällen für folgende Arbeitgeber:

(1) Krankenhäuser, (2) Einrichtungen für ambulantes Operieren, (3) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, (4) Dialyseeinrichtungen, (5) Tageskliniken, (6) Entbindungseinrichtungen, (7) Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Nummern (1) bis (6) genannten Einrichtungen vergleichbar sind, (8) Arztpraxen, Zahnarztpraxen, (9) Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe, (10) Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden, (11) ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen, und (12) Rettungsdienste.

b) Ein Fragerecht bzgl. des COVID-19 Impf- und Serostatus bekommen durch die bevorstehende Gesetzesänderung (s.o. unter 1) nun zusätzlich:

(1) Kindertageseinrichtungen, Kinderhorte, Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime und Ferienlager, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden.

(2) Voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen (soweit sie nicht bereits unter 2a (1), (2), (3), (4), (5), (6), (7), (11) und (12) fallen).

(3) Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern, sonstige Massenunterkünfte, Obdachlosenunterkünfte, Justizvollzugsanstalten.

(4) Ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die den Einrichtungen nach Ziffer b (2) vergleichbare Dienstleistungen anbieten (soweit sie nicht bereits unter 2a (1), (2), (3), (4), (5), (6), (7), (11) und (12) fallen).

(5) Einrichtungen und Unternehmen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sowie Kindertagespflege (Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 2 IfSG)

c) Somit sind bspw. Arbeitgeber aus den Bereichen Produktion, Hotellerie, Gaststätten etc. nicht von der Gesetzesänderung erfasst. Sie haben damit weiterhin kein erweitertes Fragerecht.

3. Wann dürfen die obig unter 2. aufgeführten Arbeitgeber nach dem COVID-19 Impfstatuts fragen?

Die Arbeitgeber, denen bereits jetzt nach § 23a IfSG ein Fragerecht zusteht, dürfen unter den obig unter 2a dargestellten Voraussetzungen immer nach dem COVID-19 Impf- und Serostatus Arbeitnehmer fragen. 

Die Arbeitgeber, denen nunmehr durch die bevorstehende Gesetzesänderung das Fragerecht neu gegeben wird, dürfen nach dem COVID-19  Impfstatus nur fragen, sofern der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat (das ist derzeit der Fall) und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. Diese Voraussetzungen müssen damit gleichzeitig vorliegen. Liegt eine Voraussetzung nicht vor, entfällt das Fragerecht für diese Arbeitgeber.

Hieraus folgt auch, dass Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern, die bspw. nur im Homeoffice beschäftigt sind, kein Fragerecht haben. Denn das Wissen über die Impfung ist in diesen Fällen zur Verhinderung der Verbreitung der CoronavirusKrankheit-2019 (COVID-19) nicht erforderlich.

4. Wie weit reicht das neue Fragerecht? Darf auf Basis dieser Änderung bspw. auch nach anderen Impfungen gefragt werden?

Die Arbeitgeber, denen bereits jetzt nach § 23a IfSG ein Fragerecht zusteht, dürfen unter den obig unter 2a dargestellten Voraussetzungen nach allen Impfungen fragen, die für die Erreichung der unter 2a dargestellten Ziele erforderlich sind.

Sofern Arbeitgebern durch die Änderung des IfSG nun ein Fragerecht neu eingeräumt wird, können diese vom Arbeitnehmer „nur“ die Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen eines Impfschutzes oder das Bestehen einer natürlichen Immunität in Bezug auf die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) verlangen.

Für alle anderen Impfungen/natürliche Immunitäten verbleibt es bei den bisher geltenden Regelungen.

5. Sonderfälle

Wenngleich der Gesetzgeber die Auskunftspflicht in beschriebenem Sinne begrenzt hat, kann es Situationen geben, in denen man als Arbeitgeber den Impfstatus kennen muss. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Frage stellt, ob ein in Quarantäne befindlicher Mitarbeiter einen Anspruch auf staatliche Entschädigung wegen des Lohnausfalls hat. Das ist nach dem Gesetzeswortlaut zu verneinen, wenn die Quarantäne durch eine Impfung vermieden worden oder kürzer ausgefallen wäre. Da Arbeitgeber in Vorleistung treten muss und nur einen Erstattungsanspruch hat, muss er unseres Erachtens den Mitarbeiter nach dem Impfstatus auch dann fragen dürfen, wenn die oben genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Rechtlich sicher geklärt ist das allerdings mitnichten.

Ein selbst erstelltes Hygienekonzept des Arbeitgebers reicht demgegenüber nicht aus, um ein entsprechendes Fragerecht zu begründen.

6. Besteht ab der Änderung des IfSG eine Impfpflicht?

Nein.

Lars Stich, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht