Die Flutkatastrophe, zu der es vor einigen Tagen gekommen ist, ist auch mit vielen rechtlichen Fragen verbunden, auch im Arbeitsrecht. Denn die betroffenen Menschen vor Ort sind ja schließlich auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wir wollen das zum Anlass nehmen, die Flutkatastrophe einmal unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu beleuchten.
Ist man durch die Flutkatastrophe verhindert, seiner Arbeitsverpflichtung zu entsprechen, muss man dies unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen. Geht dies nicht, weil die üblichen Kommunikationsmittel nicht einsetzbar sind, muss man es nachholen, sobald es wieder möglich ist.
Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat ein Arbeitnehmer nur, wenn er zum einen „von einer Naturkatastrophe betroffen wird und ihm die Arbeitsleistung deshalb vorübergehend nicht zuzumuten ist, weil er erst seine eigenen Angelegenheiten ordnen muss“ (Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 8. September 1982 – 5 AZR 283/80) und zum anderen §616 BGB, aus dem das hergeleitet wird, im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen worden ist. Der Anspruch besteht aber nicht beliebig lange, sondern nur für einige wenige Tage; es entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Dauert die Verhinderung übermäßig lang, entfällt der Anspruch insgesamt. Fehlt es an einer persönlichen Betroffenheit im genannten Sinne, besteht ein Entgeltanspruch auch dann nicht, wenn man aufgrund der Flutkatastrophe nicht arbeiten kann, etwa weil man nicht zur Arbeitsstelle gelangt. Das ist ein allgemeines Lebensrisiko, das jeden treffen kann und für das der Arbeitgeber nicht haftet.
Kann der Arbeitnehmer deswegen nicht arbeiten, weil der Arbeitgeber vom Hochwasser betroffen ist und sein Geschäft nicht betreiben kann, geht dieses Risiko zu Lasten des Arbeitgebers. Insoweit trägt er das Betriebsrisiko. In Ausnahmefällen, z.B. wenn die Entgeltfortzahlung die wirtschaftliche Existenz bedrohen würde, sind abweichende Ergebnisse möglich. Außerdem bietet es sich für betroffene Arbeitgeber an, Kurzarbeit einzuführen. Das Hochwasser ist jedenfalls in typischen Fällen ein „unabwendbares Ereignis“.
Beantragt ein Mitarbeiter kurzfristig Urlaub, um seine Angelegenheiten regeln zu können, wird dem in der Regel zu entsprechen sein. Hier werden in der Regel die persönlichen Interessen überwiegen. Umgekehrt kann ein Arbeitgeber unter erleichterten Bedingungen Überstunden anordnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten beauftragen, die nicht zu seinen vertraglichen Aufgaben gehören.
Theoretisch setzt man sich einer Abmahnung aus, wenn man hochwasserbedingt seinen vertraglichen Pflichten nicht entspricht. Das Bundesarbeitsgericht hat tatsächlich schon in anderen Zusammenhängen Abmahnungen bestätigt, bei denen die Pflichtverletzung unverschuldet war. Wenn aber wirklich ein Arbeitgeber einem hochwassergeschädigten Arbeitnehmer eine Abmahnung ausspricht, ohne dass diesen ein Verschulden trifft, werden die Arbeitsgerichte reichlich gesichert für den Arbeitnehmer votieren. Eine (verhaltensbedingte) Kündigung des Arbeitsverhältnisses setzt jedenfalls immer ein Verschulden voraus.
Für Fluthelfer (z.B. Mitarbeiter des THW, Feuerwehrleute) kann sich auf spezialgesetzlicher Grundlage ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht und Lohnfortzahlung ergeben. Arbeitgeber können sich aber unter Umständen das fortgezahlte Entgelt erstatten lassen.
Walther Grundstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht