Zwischenzeitlich liegt die zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung vor, welche nach noch ausstehender Veröffentlichung im Bundesanzeiger voraussichtlich in der kommenden Woche in Kraft tritt. Es stellen sich hierzu zahlreiche Fragen. Im Folgenden ein erster Überblick:
1. Bin ich als Arbeitgeber verpflichtet, meinen Arbeitnehmern die Möglichkeit eines Tests anzubieten?
Ja, Arbeitgeber sind verpflichtet, den Arbeitnehmern, die nicht ausschließlich im Home-Office arbeiten, einen Test anzubieten. Die Verpflichtung gilt für alle Arbeitgeber (öffentliche und private).
2. Welche Art von Tests sind anzubieten und wer führt diese durch?
Gem. der Begründung der Verordnung können PCR-Tests und Antigen-Schnelltests zur professionellen oder zur Selbsttestung angeboten werden. Arbeitgeber können somit Prozessstrukturen zur Testung selbst aufbauen, durch Dritte sicherstellen (bspw. mittels Testungen bei und durch Apotheken, die sie beauftragen) oder aber die Tests den Arbeitnehmern zur Selbsttestung überreichen. Die Anweisung, sich durch eine öffentliche Teststation testen zu lassen, genügt den Anforderungen der Verordnung demgegenüber nicht.
3. Wie viele Tests muss ich in welchen Zeitabständen als Arbeitgeber meinen Arbeitnehmern anbieten und wer trägt die Kosten?
Arbeitnehmern, die ausschließlich im Home-Office arbeiten, müssen keine Tests angeboten werden.
Den Arbeitnehmern, die nicht ausschließlich im Home-Office arbeiten, ist pro Kalenderwoche ein Test anzubieten.
Eine Ausnahme enthält § 5 Abs. 2 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung. Den Arbeitnehmern,
- die vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind,
- die unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 begünstigen,
[dies können sein: laute Umgebung, die lautes Sprechen erforderlich macht, hygienebedingt abgesenkte Raumtemperaturen etc.]
- in Betrieben, die personennahe Dienstleistungen anbieten, bei denen direkter Körperkontakt zu anderen Personen nicht vermieden werden kann,
- die betriebsbedingt Tätigkeiten mit Kontakt zu anderen Personen ausüben, sofern die anderen Personen einen Mund-Nase-Schutz nicht tragen müssen, und
[bspw.: Betreuung von Menschen mit Behinderung]
- die betriebsbedingt in häufig wechselnden Kontakt mit anderen Personen treten.
[bspw.: Beförderungs-, Zustell- und andere Transportdienstleistungen]
sind zwei Tests pro Kalenderwoche anzubieten.
Der Arbeitgeber hat die Kosten der Testungen zu tragen. Eine Erstattung durch den Staat ist nicht vorgesehen. Es soll aber möglich sein, die Kosten im Rahmen von Überbrückungshilfen bzw. steuerlich geltend zu machen.
4. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich zu testen?
Nein. Die Testung ist freiwillig.
5. Darf der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zurückbehalten, wenn ich als Arbeitgeber keine kostenlosen Tests anbiete?
Dafür spricht tatsächlich einiges. Ähnlich wie bei einem fehlenden bzw. unzureichenden Hygienekonzept kann der Arbeitnehmer auch bei fehlendem Angebot der kostenlosen Tests wohl seine Arbeitskraft zurückbehalten bei fortdauerndem Lohnanspruch.
Etwas anderes kann gelten, wenn arbeitgeberseits auf Grund einer zu hohen Nachfrage bspw. keine Tests oder Tests nur zu Mondpreisen erhältlich sind. In diesen Fällen ist es unseres Erachtens nach als vertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers anzusehen, eine öffentliche Teststation im Bedarfsfall aufzusuchen.
6. Ist der Arbeitnehmer, der sich zur freiwilligen Testung bereit erklärt, dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber das Testergebnis mitzuteilen?
Ausdrücklich ist dies in der Arbeitsschutzverordnung nicht geregelt. Ziel der Verordnung ist aber die schnelle Erfassung von infizierten Personen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Arbeitnehmer zur Offenlegung des Testergebnisses gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet ist. Wir gehen daher von einer Mitteilungspflicht aus.
7. Wann und wo ist der Test durchzuführen?
Die Testung ist sowohl während als auch außerhalb der Arbeitszeit möglich. Eine verbindliche Vorgabe ist nicht vorgesehen. Die Vorgabe des Zeitpunkts der Testung bleibt damit dem Arbeitgeber überlassen. Findet der Test während der Arbeitszeit statt, kann der Arbeitgeber unserer Meinung nach wirksam anweisen, dass die Testung im Betrieb zu erfolgen hat. Ausnahme: Sofern ein Betriebsrat existiert, ist dessen Mitbestimmungsrecht zu beachten.
8. Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht?
Ja. Es sind Themen der betrieblichen Ordnung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) sowie des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) betroffen. Der Betriebsrat hat daher für die Ausgestaltung (wann, wo etc.) ein echtes Mitbestimmungsrecht, nicht aber dazu, ob Tests angeboten werden. Kommt mit dem Betriebsrat keine Einigung zustande, entscheidet die Einigungsstelle (vgl. § 87 Abs. 2 BetrVG). Dies ist zeit- und kostenintensiv.
9. Nachweispflicht und Datenschutz
Gem. § 5 Abs. 3 SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung sind Arbeitgeber ausschließlich dazu verpflichtet, Nachweise über die Beschaffung von Tests bzw. die Vereinbarung mit Dritten (bspw. Apotheken) über die Testung der Arbeitnehmer für die Dauer von vier Wochen aufzubewahren.
Aus unserer Sicht besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Speicherung weiterer Daten zumindest für einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Sinn und Zweck der Verordnung ist die schnelle Erfassung infizierter Personen. Ebenso setzt die Einrichtung entsprechender Test-Prozessstrukturen einen gewissen Überblick über die erfolgten Tests (Anzahl) und die getesteten Arbeitnehmer nebst der Testergebnisse voraus. Selbstverständlich sind hierbei die Vorgaben der DSGVO bzw. des BDSG zu beachten, insbesondere da es sich um Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer (je nach erfassten Daten) handeln kann.
10. Können mit der Einführung der Tests die weiteren Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen zurückgefahren werden?
Nein. Die Verordnung führt hierzu in der Begründung aus: „Das Testen entbindet nicht von der Einhaltung der AHA+L-Regel, der sonstigen technischen und organisatorischen Arbeitsschutzmaßnahmen sowie notwendigen Hygienevorkehrungen im Betrieb und der Beachtung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel.“
11. Was droht Arbeitgebern, die keine Tests anbieten?
Vereinzelten Meldungen zufolge soll ein Verstoß bußgeldbewehrt sein. Wir beurteilen dies aktuell anders.
12. Hinweis: Bei den obigen Ausführungen handelt es sich um eine erste Einschätzung. Die konkrete Auslegung wird durch die betriebliche Praxis ggf. zu konkretisieren und im Streitfall durch die Gerichte zu klären sein.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Lars Stich
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht