Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz kommt

Am 31. März 2021 hat das Bundeskabinett den Entwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes beschlossen. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetz noch vor der Bundestagswahl die parlamentarischen Hürden nimmt. Was sind seine wesentlichen Inhalte?  

  1. Die Bildung von Betriebsräten wird deutlich erleichtert, indem das vereinfachte Wahlverfahren für Betriebe bis 100 (bislang 50) Mitarbeiter anzuwenden ist und für Betriebe bis 200 (bislang 100) Mitarbeiter vereinbart werden kann. Die Zahl der erforderlichen Stütz­unterschriften wird reduziert, die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl wegen Fehlern in der Wählerliste eingeschränkt.
  1. Für das aktive und passive Wahlrecht von Auszubildenden zur Jugend- und Auszubildendenvertretung soll es künftig nicht mehr auf das Alter (bisher Altersgrenze 25 Jahre) ankommen, sondern nur darauf, dass man Auszubildender ist.
  1. Vom Grundsatz, dass Betriebsratssitzungen als Präsenzsitzungen durchzuführen sind, kann künftig leichter abgewichen werden. Sie können nunmehr virtuell durchgeführt werden, wenn der Betriebsrat dies in seiner Geschäftsordnung vorsieht und sichergestellt ist, dass Dritte keine Kenntnis vom Inhalt der Sitzung erhalten. Wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder widerspricht, muss die Sitzung als Präsenzveranstaltung stattfinden. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.
  1. Das Gesetz sieht vor, dass der Betriebsrat zwar weiterhin zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeiten kann, aber der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unterstützen.
  1. Der Betriebsrat erhält im Rahmen von §87 BetrVG volles Mitbestimmungsrecht bei der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.“ Ein Initiativrecht zur Einführung der mobilen Arbeit ist damit nach dem Wortlaut nicht verbunden.
  1. Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen, soll künftig insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gelten. §90 BetrVG wird dahin geändert, dass der Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsumgebung „einschließlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz“ zu unterrichten ist. Klargestellt wird, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Personalauswahlrichtlinien in gleichem Maße gelten, wenn bei ihrer Aufstellung Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
  1. Kommt im Rahmen der Beratung über den Berufsbildungsbedarf nach §96 Absatz 1 BetrVG eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können künftig der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Ein Einigungszwang besteht nicht.
  1. Für die Praxis von erheblicher Bedeutung ist die Verschärfung des Kündigungsschutzes. Während bislang nur die ersten drei Personen geschützt waren, die zu einer Wahlversammlung eingeladen haben, sind es nun sechs. Außerdem wird eine neue Vorschrift (§15 IIIa KSchG) eingefügt, die ihrer Bedeutung wegen hier weitgehend vollständig wiedergegeben werden soll:

„Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats … unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat … zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sein denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündi­gungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- … versammlung … , längstens jedoch für drei Monate.“

Kurz und knapp: In einem Betrieb, in dem es noch keinen Betriebsrat gibt, kann sich künftig jeder Mitarbeiter auf ausgesprochen einfachem Wege Sonderkündigungsschutz verschaffen. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben allerdings immerhin möglich. Auch fristlose Kündigungen bleiben zulässig – bedürfen künftig aber der vorherigen Zustimmung des Arbeitsgerichtes, wie der Gesetzgeber durch eine Folgeänderung von §103 BetrVG sicherstellt. Diese Zustimmung ist in der Praxis zeitnah nicht zu erhalten.

Walther Grundstein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht