Der Bundesgerichtshof hat eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung abgewiesen (Urteil vom 5. Mai 2021 – VII ZR 78/20).
Aus der Pressemitteilung des Gerichtes ergibt sich:
Sachverhalt
Der seinerzeit 44-jährige Kläger wollte im August 2017 ein von der Beklagten veranstaltetes Open-Air-Event in München besuchen, bei dem über 30 DJs elektronische Musik auflegten. Die Veranstaltung hatte eine Kapazität von maximal 1.500 Personen, ein Vorverkauf fand nicht statt. Ein Ticket konnte erst nach Passieren der Einlasskontrolle erworben werden. Dem Kläger sowie seinen beiden damals 36 und 46 Jahre alten Begleitern wurde der Einlass verwehrt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Zielgruppe der Veranstaltung seien Personen zwischen 18 und 28 Jahren gewesen. Aufgrund der beschränkten Kapazität und um den wirtschaftlichen Erfolg einer homogen in sich feiernden Gruppe nicht negativ zu beeinflussen, habe es die Anweisung gegeben, dem optischen Eindruck nach altersmäßig nicht zur Zielgruppe passende Personen abzuweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass in der Verweigerung des Zutritts eine Benachteiligung wegen des Alters liege und ihm daher ein Entschädigungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 2 AGG zustehe. Er hat von der Beklagten die Zahlung von 1.000 € sowie den Ersatz der Kosten eines vorangegangenen Schlichtungsverfahrens in Höhe von 142,80 €, jeweils nebst Zinsen, verlangt.
Entscheidungsgründe
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Aus seiner Sicht ist schon der sachliche Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG nicht eröffnet.
Der Vertrag über den Zutritt zu der hier betroffenen Veranstaltung sei kein „Massengeschäft“ im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 AGG. Hierunter sind zivilrechtliche Schuldverhältnisse zu verstehen, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen. Das sei der Fall, wenn der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich mit jedermann abzuschließen bereit ist. Beispiele seien öffentlich zugängliche Konzerte, Kinovorstellungen, Theater- oder Sportveranstaltungen. Hier sei es den Veranstaltern – meist dokumentiert durch einen Vorverkauf – regelmäßig nicht wichtig, wer ihre Leistung entgegennehme.
Das könne für Veranstaltungen wie der vorliegenden weder allgemein noch im konkreten Einzelfall in gleicher Weise angenommen werden. Deren Charakter werde in der Regel auch durch die Interaktion der Besucher geprägt. Deswegen sei die Zusammensetzung des Besucherkreises von Bedeutung. Wenn also wie hier der Anbieter seine Entscheidung über den Vertragsschluss erst nach Würdigung des Vertragspartners treffe, komme der Vertrag nicht ohne, sondern mit Ansehen der Person zustande.
Es liege auch kein „massengeschäftsähnliches“ Schuldverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 AGG vor. Hier würden im Unterscheid zum Massengeschäft persönliche Eigenschaften des Vertragspartners bei Vertragsschluss zwar eine Rolle spielen, allerdings nur in einem vernachlässigbaren Umfang. Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen könne die Zusammensetzung des Besucherkreises aber deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richte und nur Personen als Vertragspartner akzeptiere, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, komme diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Das sei hinzunehmen.
Im vorliegenden Fall sei es genau so gewesen: Ein Ansehen der Person habe hiernach für die Gewährung des Zutritts nicht nur nachrangige Bedeutung gehabt, vielmehr sei eine individuelle Auswahl der Vertragspartner nach dem Veranstaltungskonzept der Beklagten von vornherein vorgesehen gewesen, durchgeführt und durch die Einlasskontrolle sichergestellt worden.
Bewertung
Die Entscheidung hat für die Branche eine hohe Relevanz. Denn sie gibt Sicherheit bei der Organisation von z.B. „Üx-Parties“, wenn sie ähnlich konzipiert werden wie die Partyveranstaltung im vorliegenden Fall, insb. also ohne Vorverkauf und mit Einlasskontrolle.
Walther Grundstein
Rechtsanwalt