Das BAG hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei mehreren Erkrankungen über den Zeitraum nach Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) begehrt, bezüglich der einzelnen Krankheiten zu umfangreichen Auskünften verpflichtet ist.
So reicht alleine der Verweis auf eine „Erstbescheinigung“ nicht aus. Auch könne der Arbeitgeber nicht auf den Auskunftsanspruch gegenüber der Krankenkasse (§ 69 SGB X) verwiesen werden. Die Krankenkasse habe eigene Interessen und die Mitteilung sei auch nicht rechtlich überprüfbar. Dem Arbeitgeber müsse die Möglichkeit eröffnet werden, die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung im vollen Umfang gerichtlich überprüfen zu lassen.
Diese Überprüfung (ggfs. mit Unterstützung von Sachverständigen) sei nur möglich, wenn der Arbeitnehmer die Krankheitsursachen der einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten offenlege und seine Ärzte insoweit von der Schweigepflicht entbinde. Dem stünden auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen, da die Verarbeitung von personenbezogenen Daten (auch Gesundheitsdaten einer natürlichen Person) zulässig sei, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer juristischen Tätigkeit erforderlich sei. Das ergebe sich aus dem Justizgewährungsanspruch. Die Bewertung von Krankheitszeiten im Hinblick darauf, ob es sich um „dieselbe Krankheit“ handele, könne nur erfolgen, wenn der Arbeitnehmer konkret zu den gesundheitlichen Einschränkungen und Beschwerden vortrage. Der Arbeitnehmer hatte sich auf den Vortrag der Diagnoseschlüssel auf den ärztlichen Bescheinigungen und deren „Übersetzung“ in Krankheiten beschränkt. Das reichte dem BAG nicht. Die Klage auf Lohnfortzahlung wurde abgewiesen.
Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen für die Praxis. Übersteigen die Krankheitszeiten den gesetzlichen 6-Wochen-Zeitraum und beansprucht der Arbeitnehmer Lohnfortzahlung unter Verweis darauf, dass es sich um eine neue Erkrankung handelt, kann der Arbeitgeber zunächst die Lohnfortzahlung verweigern und den Arbeitnehmer auffordern, im Einzelnen Auskunft über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden zu erteilen.
Claudia Thieme
Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Arbeitsrecht