Immer wieder stößt die Berechnung des Urlaubsanspruchs von Mitarbeitern, die im zweiten Halbjahr ausscheiden, auf Schwierigkeiten. Im Folgenden eine Handlungsanleitung zum richtigen Vorgehen und zur richtigen Vertragsgestaltung im Vorfeld.
- Betrachten wir zunächst den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen (5-Tage-Woche) und gehen vom Regelfall aus, dass der Mitarbeiter bei seinem Ausscheiden mehr als sechs Monate im Betrieb beschäftigt war.
Dann ist die Antwort einfach: Dem Mitarbeiter steht der volle gesetzliche Urlaubsanspruch zu. Es findet keine Zwölftelung statt, obwohl das Arbeitsverhältnis gerade nicht das ganze Jahr bestanden hat.
Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Mitarbeiter schon im Vorjahr in ein Arbeitsverhältnis eingetreten ist, sondern auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im laufenden Jahr begonnen hat. Beispiel: Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Februar 2021, Ausscheiden zum 30. September 2021.
(Beachte: Endete das Arbeitsverhältnis im Beispielsfall aber bereits am 31. Juli 2021, kommt es zu einer Zwölftelung, weil das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt seiner Beendigung nicht „mehr als“, sondern genau sechs Monate bestanden hat.)
- Nun werden in Arbeitsverhältnissen aber oft auch Urlaubsansprüche vereinbart, die über die 20 Tage, die das Gesetz gewährt, hinausgehen.
Für sie gelten im Ausgangspunkt die gleichen Regelungen wie in Ziff. 1 geschildert. Also keine Zwölftelung, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat und erst im zweiten Halbjahr endet.
- Allerdings sind abweichende Vereinbarungen möglich; denn insoweit sieht das Gesetz keine zwingenden Vorgaben vor. Oft wird deswegen eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs vereinbart, ohne allerdings zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen Urlaubsanspruch zu differenzieren.
Das Fehlen einer solchen Differenzierung macht rechnerisch einen erheblichen Unterschied:
Nehmen wir einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen und ein Ausscheiden zum 30. September 2021 an. Dann ergibt sich bei einer undifferenzierten Zwölftelung ein Anspruch von 30 * 9/12 = 22,5 Tage (aufzurunden auf 23 Tage, §5 Abs. 2 BUrlG). Bezöge sich die Zwölftelung nur auf den übergesetzlichen Urlaubsteil, ergäbe sich folgende Berechnung: 20 Urlaubstage + 10 * 9/12 = 20 + 7,5 Urlaubstage, gerundet also 28 Urlaubstage.
Von daher ist es in der Tat aus Arbeitgebersicht günstiger, bei der Vertragsgestaltung an dieser Stelle nicht zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen Urlaub zu differenzieren.
- Dann aber kann es zu einem anderen Problem kommen, dass nämlich die Berechnung zu einem Anspruch führt, der unterhalb des gesetzlichen Urlaubsanspruchs liegt.
Beispiel: Anspruch auf 25 Urlaubstage, Ausscheiden zum 31. Juli. Das ergibt einen Anspruch von rechnerisch 25 * 7/12 = gerundet 15 Urlaubstagen.
Diese Verkürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs wird von der Rechtsprechung – nachvollziehbar – nicht akzeptiert. Es verbleibt bei dem gesetzlichen Urlaubsanspruch (20 Urlaubstage).
Vertragsklauseln, die eine Zwölftelung vorsehen, müssen dem Rechnung tragen, indem klargestellt wird, dass trotz Zwölftelung dem Mitarbeiter mindestens immer sein gesetzlicher Urlaubsanspruch erhalten bleibt. Fehlt es an einer solchen Klarstellung, droht die Klausel unwirksam zu sein – mit der Folge, dass nicht gezwölftelt werden darf.
- Im Ergebnis lässt sich zur Berechnung daher zusammenfassen, dass bei einem Ausscheiden im zweiten Halbjahr dem gesetzlichen Urlaubsanspruch (20 Urlaubstage) der vertragliche Anspruch gegenüberzustellen ist, ggf. unter Berücksichtigung einer vereinbarten Zwölftelung. Ist der vertragliche Anspruch höher, verbleibt es bei diesem; ansonsten steht dem Mitarbeiter der gesetzliche Urlaubsanspruch zu.
- Bitte beachten Sie: Falls auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag anwendbar ist, können sich aus diesem Tarifvertrag Besonderheiten ergeben, die zu abweichenden Ergebnissen führen.
Walther Grundstein,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht